"Dieser Zug fährt relativ schnell"

Seraina Degen

Weltweit boomt der Frauenfussball. Die WM 2019 in Frankreich war die beste aller Zeiten, mit vielen Fans und grosser Aufmerksamkeit. Nur leider fand diese WM ohne die Schweizerinnen statt. Die Barrage gegen die Niederlande bedeutete Endstation, der WM-Zug war abgefahren. Ein Tiefpunkt nach zehn für den Schweizer Frauenfussball erfolgreichen Jahren.


Punkto Förderung gehörte die Schweiz mit dem Ausbildungszentrum in Huttwil/BE (heute in Biel) zur europäischen Spitze, als Nationaltrainerin leistete Béatrice von Siebenthal bis 2012 wertvolle Aufbauarbeit, und spätestens mit der Verpflichtung ihrer Nachfolgerin Martina Voss-Tecklenburg nahm das Nationalteam so richtig Fahrt auf.

 

Als «Lokomotive des Schweizer Frauenfussballs» bezeichnete Voss-Tecklenburg sich selbst – tatsächlich waren die sechs Jahre unter der Deutschen die bislang erfolgreichste Zeit. 2015 qualifizierte die Schweiz sich erstmals überhaupt für eine Endrunde und schaffte es an der WM in Kanada bis in den Achtelfinal. Zwei Jahre später folgte mit der EM-Teilnahme in den Niederlanden der nächste Schritt, doch das Aus nach der Gruppenphase liess bereits erahnen, dass die Equipe kein Generalabonnement auf Erfolge hat. Dabei wären gerade Erfolge des Nationalteams so wichtig, denn sie würden Aufmerksamkeit wecken, was dem Mädchen- und Frauenfussball generell Schub gäbe.

 

Nach der verpassten WM 2019 stellte sich die Frage: wie weiter?

 

Cinzia Zehnder im Zweikampf

Cinzia Zehnder im Zweikampf

«Dieser Zug fährt schnell, das ist ein TGV, der unterwegs ist», sagte Tatjana Haenni, Ressortleiterin Frauenfussball beim Schweizerischen Fussballverband, im September 2019 zu «10vor10» über den internationalen Frauenfussball. «Es ist eine tolle Entwicklung, aber in der Schweiz haben wir vielleicht ein bisschen zu lange gewartet und müssen schauen, dass wir auf den Zug wieder aufspringen können.»

 

Hat die Schweiz den Anschluss verpasst? In Ländern wie England, Frankreich und Spanien ist der Schnellzug rasant unterwegs: England stellt die derzeit beste Liga der Welt, Olympique Lyon ist seit Jahren der erfolgreichste Verein, und in Spanien engagieren sich Profivereine wie Barcelona und Real Madrid neuerdings stark im Frauenbereich. Ausgerechnet jetzt ist der Schweizer Zug ins Stocken geraten.

 

Zwar nimmt die Anzahl lizenzierter Spielerinnen kontinuierlich zu, die grossen Klubs setzen vermehrt auf Frauenfussball. Weil es aber allzu oft bei Lippenbekenntnissen bleibt, fristet die Liga ein Schattendasein. Echtes Engagement wäre gefragt – und ein Nationalteam, das rasch wieder volle Fahrt aufnimmt.

Das Nationalteam 1996

Das Nationalteam 1996