VIER PIONIERINNEN ERZÄHLEN

Sie spielten in den 1970er- und 1980er-Jahren für unterschiedliche Zürcher Frauenfussball-Vereine. Bis heute sind sie Freundinnen geblieben. Erinnerungen von Lisa Litschi, Lilian Marangoni, Käthi Vollmer und Anita Walder an ihre Fussballkarrieren.

Lilian Marangoni: Ich heisse Lilian Marangoni, dazumal Lilian Diener – so habe ich jeweils meine Autogrammkarten signiert (lacht) … Ich bin Jahrgang 1956 und habe mit 15 beim FC Zürich angefangen mit Fussball. Ich habe immer mit der Rückennummer 3 gespielt, meistens als Vorstopperin, weil ich sehr kopfballstark war.

Lisa Litschi: Ich bin Lisa Litschi, ehemals Thalmann. Ich startete 1968 als 14-jährige beim Damenfussball Club Sparta Zürich, der nur ein Jahr lang eigenständig war. Als man sich dann wegen dem Schweizer Fussballverband einem Herren-Verein anschliessen musste, gingen wir zu den Young Fellows. Nach ein paar Jahren löste sich auch der DFC Young Fellows auf. Ein Teil von uns ging zum SV Seebach und ein Teil zu den FC Zürich Damen. Auch ich kam so 1974 zum FCZ. Gespielt habe auch ich in der Verteidigung, oft auf der Libero-Position.

Anita Walder: Mein Name ist Anita Walder. Angefangen habe ich wie Lisa bei den Young Fellows, meist als Stürmerin mit der Nummer 11.

Käthi Vollmer: Käthi Vollmer, ehemals Schmid, Jahrgang 1955. Ich habe erst spät angefangen mit Fussball und kam 1972 direkt zu den damals neu gegründeten Blue Stars Damen. Meine Position war Mitte-Mitte und dann und wann spielte ich auch auf der Libero-Position.

Wie seid ihr zum Fussball gekommen?

Marangoni: Ich liebte diesen Sport und das runde Leder einfach so sehr! Angefangen habe ich an Grümpelturnieren, wo ich scheinbar einmal eine ganz gute Vorstellung gab, so dass man mich telefonisch kontaktierte und zum FCZ «transferierte» …

Team Young Fellows Frauen, um 1970.

Team Young Fellows Frauen, um 1970.

Vollmer: Meine Zwillingsschwester und ich wurden von unseren beiden älteren Brüdern immer genötigt mitzuspielen, im Tor versteht sich. Ich blieb immer, während meine Schwester meist flüchtete. Meine Freundin und ich spielten dann auch Grümpis und sie nahm mich mit zum ersten Blue Stars-Training. Sie blieb sechs Monate und ich etwa zwanzig Jahre!

Walder: Mir war das Leichtathletik-Training verleidet. Da brachte mein Vater mir im richtigen Moment ein Zeitungsinserat von YF nach Hause mit. Ich war sofort integriert und es entstanden auch wunderbare Freundschaften – wie man ja hier und heute noch sieht.

Litschi: Fussball war in unserer Familie die Sportart Nummer 1. Auch ich spielte zuerst an Grümpelturnieren und bekam Lust, in einem Verein Fussball zu spielen. Es gab damals ja pro Verein nur ein Team und so spielten wir Jungen von Beginn an mit den über 20-jährigen Frauen. Juniorenteams kamen erst später auf, so dass der Sport am Anfang auch sehr durch Jugendliche geprägt wurde.

Internationales Turnier in Aalen, Juni 1974. Final: FC Zürich – VfR Neuss 3:0. Vordere Reihe FCZ (v.l.n.r.): Laetitia Chiandussi, Monika Rüegg, Lisa Thalmann (heute Litschi), Barbara Schraner, Beatrice Peter, Gabi Schraner, Edith Ganter, Yvonne…

Internationales Turnier in Aalen, Juni 1974. Final: FC Zürich – VfR Neuss 3:0.
Vordere Reihe FCZ (v.l.n.r.): Laetitia Chiandussi, Monika Rüegg, Lisa Thalmann (heute Litschi), Barbara Schraner, Beatrice Peter, Gabi Schraner, Edith Ganter, Yvonne Chèvre, Lilian Diener (heute Marangoni), Spielerin Aalen, Anita Walder, Maya Widmer, Gabi Pössl.

Wo wurde trainiert damals?

Marangoni: Einerseits auf diesen Äckern, die es hinter dem Letzigrund gab. Später lange Zeit auch auf dem Juchhof 3.

Litschi: Ganz zum Schluss waren wir mit Zürich noch in Witikon einquartiert. Dort trugen wir unsere Heimspiele aus.

Walder: Im Winter spielten wie im Wengischulhaus, bei der Langstrasse … (lacht)

Vollmer: Das war aber praktisch für euch! Wir von Blue Stars haben auch im Juchhof angefangen und es gibt ein Bild, das sich stark eingeprägt hat bei mir: Im Winter war es abends so dunkel beim Training, dass wir die Autos neben den Platz stellen und mit ihnen den Scheinwerfern den Platz ausleuchten mussten, weil es keine Lichtanlage gab. Wir wechselten uns ab mit den Autos, damit wir am Schluss noch heimfahren konnten!

Wimpel der Young-Fellows-Damen von 1969 (Schenkung Lisa Litschi).

Wimpel der Young-Fellows-Damen von 1969 (Schenkung Lisa Litschi).

Wie waren eigentlich die Reaktionen aus eurem Umfeld, als ihr mit dem Fussballspielen angefangen habt?

Marangoni: Das wurde überhaupt nicht thematisiert. Ich spielte ja mit Leib und Seele – eine Alternative gab es für mich eh nie. Und spätestens, als meine Tochter zu spielen begann, war ich auch stolz auf meine Pionierrolle.

Vollmer: Bei mir gab es keine negativen Reaktionen, im Gegenteil – ich habe sicher vier, fünf Kolleginnen aus der Schule motiviert, auch mitzukicken. In meiner Erinnerung gab es schnell einen ersten kleinen Boom.

Litschi: Ich komme ja eh aus einer Fussballfamilie – von da her gab es sowieso keine Widerstände. Einige Sprüche kamen aber von Fremden, zum Beispiel von Zuschauern am Spielfeldrand.

Walder: Viele meinten eben, dieser Sport gehöre nur den Männern. Und wir Frauen gehörten an den Herd. Das war der Zeitgeist um 1970.

Marangoni: Man darf nicht ausser Acht lassen, dass wir – wie unsere männlichen Kollegen übrigens auch – damals recht knappe Höschen anhatten. Da kamen einige sexistische Sprüche … Beeindruckt hat uns das aber nicht, eher aus Trotz zu noch besseren Leistungen angespornt.

Wie schnell wuchs die Frauenfussballbewegung?

Marangoni: Wir beim FC Zürich hatten nie zu wenige Spielerinnen, aber immer zu wenige wirklich Gute. Und wir wurden sicher zu wenig gut geschult. Unser Trainer konnte selber zwar gut spielen, aber uns sein Können nicht immer so gut beibringen.

Litschi: Weil es keine Juniorinnen-Teams gab, fehlte uns mit der Zeit der Nachwuchs.

Marangoni: Erst als Thomas Nadig, der Bruder von Marie-Teres, uns zwischendurch mal trainierte, wurden wir mal so richtig «geschlaucht».

Vollmer: Oft hatten wir halt auch Mühe, einen Trainer zu finden.

Was war euer schönstes Tor?

Marangoni: Ah, da weiss ich eins! Erinnert ihr euch an das Grümpelturnier in Affoltern? Du, Anita, hast sie mir vom rechten Flügel butterweich zur Mitte geflankt und ich köpfte sie – zack! – rein. Und da haben dann wirklich alle geklatscht. Kopftore waren eh meine Liebsten!

Vollmer: Ich habe so viel getroffen … Am ehesten vielleicht der Elfmeter im Cup-Halbfinal, den ich schön «im Ängeli» versenkt habe. Gut erinnern kann ich mich an das Gefühl nach einem Torerfolg. Das ist so emotional, das erlebt man sonst kaum im Leben.

Litschi: Verteidigen fand ich also schon auch toll. Wenn man zum Beispiel als letzte Spielerin noch die «Sichel» einsetzte, um so die Aktion des Gegners zu verhindern – also ich meine damit das Treffen vom Ball, nicht die Gegnerin!

Käthi Vollmer-Schmid im Training 1972, für einmal im Tor.

Käthi Vollmer-Schmid im Training 1972, für einmal im Tor.

Marangoni: Einmal hatte eine von uns in einem hitzigen Duell gegen unseren Angstgegner Solothurn schon rot gesehen wegen zwei groben Fouls, als wir eine Penalty zugesprochen bekamen. Ich versenkte souverän, aber der Schiedsrichter liess den Strafstoss wiederholen. Und das war dann eben auch schön: Nochmals anlaufen und den Ball nochmals im Tor versorgen!

Litschi: Ich habe ja nicht sonderlich viele Tore geschossen, aber bei einem Turnier in Lugano traf ich einmal von der Mittellinie aus, der gegnerische Goalie stand zu weit vor dem Tor – ein toller Treffer!

Walder: Manchmal losten wir bei diesen Turnieren aus Jux vor bedeutungslosen letzten Spielen die Positionen auf dem Feld aus. Als es mich mal als Libero traf, war ich völlig übermotiviert und haute einfach jeden Ball, der kam, voll Rohr nach vorne. Direkt ins Tor ging aber keiner dieser Schüsse.

Das Team der FC Zürich Damen, Juli 1971. Obere Reihe (v.ln.r.): Beatrice Peter, Ursula Kaiserauer, (unbekannt), Helen Barmettler, Edith Ganter, Lilian Diener (heute Marangoni). Untere Reihe (v.ln.r.): Laetitia Chiandussi, (unbekannt), Maya Schweizer…

Das Team der FC Zürich Damen, Juli 1971. Obere Reihe (v.ln.r.): Beatrice Peter, Ursula Kaiserauer, (unbekannt), Helen Barmettler, Edith Ganter, Lilian Diener (heute Marangoni). Untere Reihe (v.ln.r.): Laetitia Chiandussi, (unbekannt), Maya Schweizer, Margrit Schwendimann, Monika Oesch, Marie-Teres Nadig.
(Bild: Keystone)

Was waren eure grössten Erfolge auf dem Rasen?

Marangoni: Der Cupfinal in Stans.

Vollmer: Die beiden Cupfinal-Teilnahmen mit Blue Stars. Wobei ich nun nicht verrate, wer am Ende gewann … Nein, am Schönsten waren eigentlich die Siege im Halbfinal. Mir machte es am Schluss gar nicht so viel aus, das Endspiel zu verlieren. Es war einfach ein tolles Erlebnis, dabei zu sein.

Walder: Auch für mich waren die beiden Cupfinals am schönsten. Einmal die überraschende Niederlage mit Zürich gegen Spreitenbach 1979 und später jene mit Blue Stars gegen Bern.

Litschi: Zwei Mal Vizemeister und  einmal Dritter in der Meisterschaft mit den Young Fellows, sowie 1979 Cupfinalist mit Zürich. Weitere Highlights waren 1971 die Clubreise mit den Young Fellows in die Tschechoslowakei, das Bestreiten eines Vorspiel in Basel (vor der Partie Welt-Elf gegen Schweizer Ex-Internationale) sowie ein Spiel im Stadio San Paolo in Neapel.

Was machte es eurer Meinung nach aus, dass der Schweizer Frauenfussball ab 1972 mit der Ski-Olympiasiegerin Marie-Teres Nadig ihren ersten «Star» hatte?

Marangoni: Maite Nadig war eine extrem gute Frau, völlig normal. FCZ-Präsident Edi Nägeli holte sie ja einfach aus Prestige-Gründen zum FCZ. Man munkelte auch, dass ein bisschen was bezahlt wurde.

Litschi: Sie hat nie irgendwelche Allüren gehabt, auch wenn die ganze mediale Aufmerksamkeit auf ihr war.

Marangoni: Unsere Stadien waren ja wegen ihr nicht plötzlich voll … Es hat weniger einen Boom ausgelöst, sondern mehr einfach grosse Schlagzeilen geliefert.

Weshalb waren eigentlich sämtliche Funktionäre und Trainer im Frauenfussball über lange Jahre immer nur Männer?

Marangoni: Männer hatten einfach überall das Sagen. Das war im Frauenfussball nicht anders. Sie adaptierten die Strukturen des Männerfussballs und der Gesellschaft allgemein. Es waren oft Väter oder Verwandte der Spielerinnen.

Litschi: Oft war es auch einfach eine Frage des Transports. Mein Heimweg nach Embrach konnte ich abends nicht mehr mit der ÖV bewältigen und so fuhr mich mein Vater hin und her, während er sich ebenfalls im Verein engagierte.

Vollmer: Ich war dann ab 1981 eine der ersten Schweizer Trainerinnen überhaupt (bei Blue Stars). Bei Bern gab es auch eine.

War es ein Zufall, dass der Frauenfussball genau 1968 aufkam oder gab es einen Zusammenhang zum politischen und gesellschaftlichen Aufbruch der Zeit?

Walder: Einen Zusammenhang zur Frauenbewegung gab es meiner Meinung nach nicht.

Marangoni: Das sehe ich auch so. Ich war glaub die einzige von uns, die an Demonstrationen ging, doch erst als ich 18 war. Aber Fussball ist halt simpel und günstig. Es war – und ist heute noch –  die einfachste Möglichkeit, einen Sport auszuüben. Ich glaube jedenfalls nicht, dass mir meine Eltern eine Eishockey-Ausrüstung finanziert hätten …

Habt ihr während eurer Karriere Diskussionen um Homosexualität im Sport miterlebt?

Vollmer: Es wurde mit guten Teamkolleginnen schon darüber diskutiert, war aber kein grosses Thema innerhalb der Teams.

Marangoni: Wie heute war es ein absolutes Tabu, öffentlich darüber zu reden. Es gab viele Gerüchte, aber geoutet hat sich natürlich niemand. Gut, auf dem Platz spielte es sowieso keine Rolle, da war man einfach ein Team.

Walder: In den 1970er-Jahren war es noch gar kein Thema, meinte ich. Erst später.

Litschi: Es gab einige Klubwechsel wegen der Freundin, aber es war eh undenkbar, dass zwei Frauen während oder nach dem Spiel Zärtlichkeiten austauschten. Das war ein gesellschaftliches Tabu.

Walder: Auch Vereine oder Trainer äusserten sich nicht dazu.

[Interview: Saro Pepe, März 2018

Lisa Litschi, Anita Walder und Käthi Vollmer (v.l.n.r.) am 26.5.2018 im FCZ-Museum (Bild: Keystone/Melanie Duchene)

Lisa Litschi, Anita Walder und Käthi Vollmer (v.l.n.r.) am 26.5.2018 im FCZ-Museum (Bild: Keystone/Melanie Duchene)