Marie-Therese Nadig: Olympiasiegerin und Fussball-Fanatikerin

 Marianne Meier

Der Brasilianer Pelé war das einstige Fussballidol der Schweizer Skilegende Marie-Therese Nadig. Ja, ihre sportliche Leidenschaft lebte ‘Maite’ nicht nur auf dem Schnee, sondern auch auf dem Rasen aus. Nach ihrem Triumph an den Olympischen Winterspielen 1972 in Sapporo ging der Stern der damals 17jährigen am helvetischen Sporthimmel auf. Das öffentliche Interesse nach zwei olympischen Goldmedaillen war immens. Die Medienleute zeigten sich erstaunt, dass die Skifahrerin ihre Fitness während der Sommermonate am liebsten beim Fussballspielen trainierte. Von der Presse sei sie nie als „fraulich“ dargestellt worden, sondern eher als „burschikoser Haudegen“, so Nadig. Im April 1972 war sie dem Damenfussball Club Zürich (DFCZ) beigetreten und bestritt im darauffolgenden Mai das Vorspiel des ersten offiziellen Länderspiels des Schweizer Nationalteams gegen Frankreich in Basel. Der Bekanntheitsgrad der Ostschweizerin vermochte die Massen zu mobilisieren. Das Basler Länderspiel-OK schätzte, dass etwa die Hälfte des Publikums, etwa 2'000 Personen, auf das Konto von ‘Maite’ gingen. Aufgrund ihrer Anziehungskraft lud deshalb auch die Männerabteilung Nadig beim Meisterschaftsspiel gegen Lausanne zum Ankick ein.


Nadig war in erster Linie Skirennfahrerin und berichtete mit „Wald- und Wiesenfussball“ aufgewachsen zu sein. Auf den Pisten gehörte sie zur Weltspitze, während sie im Fussball – nach eigenen Einschätzungen – „keine Ahnung von Taktik und Spielzügen“ hatte. Ihre Stärken lagen im konditionellen Bereich sowie im instinktiven Stellungsspiel. Beim Anblick des fussballerischen Könnens einer Madeleine Boll oder Cathy Moser zeigte sich Nadig in Basel tief beeindruckt. Noch nie zuvor hatte sie Frauen gesehen, die das Leder mit mehr Geschick und Technik traten als die beiden Nati-Spielerinnen.

In Bezug auf den Fussball bezeichnete sich Nadig selber als „Fanatikerin“. Trotz der damals noch fehlenden Autobahn, begab sie sich von den Flumser Bergen zwei Mal pro Woche nach Zürich ins Training und kehrte meistens erst um Mitternacht heim. ‘Maite’ erhielt auch ein Nati-Aufgebot, doch dieses lehnte sie zugunsten jener „Mädchen ab, die nur Fussball im Kopf“ hatten. Ab 1977 wechselte sie nach Bad Ragaz, wo sie bis 1980 als Spielertrainerin tätig war.

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Durch ihre Popularität und ihren Erfolg in einer ‑ patriotisch konnotierten ‑ Wintersportart, setzte sie als Fussballerin neue Massstäbe. Durch diese öffentliche Sichtbarkeit des Frauenfussballs trug Nadig in den 1970er und 1980er Jahren massgeblich zu dessen Entwicklung und Legitimation bei. Nadig vermittelte mit ihrer Natürlichkeit auch ein neues Frauenbild, welches künftige Generationen zu prägen vermochte.


Marianne Meier ist Autorin des Buchs «Zarte Füsschen am harten Leder…». Frauenfussball in der Schweiz 1970-1999, das 2004 im Haupt-Verlag erschienen ist. Sie führte zahlreiche Interviews, unter anderem mit Maire-Thérèse Nadig.