Fussballerinnen in den Medien: Ein Blick auf die ersten Europameisterschaften

Gastbeitrag von Nils Widmer

 

Bei der Europameisterschaft in England im Sommer 2022 fallen die Zuschauerrekorde. Das Eröffnungsspiel zwischen England und Österreich in Old Trafford in Manchester war ausverkauft, über 68’000 Menschen schauten zu. Auch die Schweizerinnen sind beim Turnier dabei und messen sich in einer Gruppe mit den Niederlanden, Schweden und Portugal. In der Öffentlichkeit ist hierzulande nur wenig EM-Euphorie spürbar, auch wenn die mediale Repräsentation der Fussballerinnen so hoch ist wie noch nie. Lange wurden fussballspielende Frauen in den Medien marginalisiert oder gar belächelt. Dies zeigt ein Blick in die Fachzeitung Der Sport und die Neue Zürcher Zeitung rund um die erste EM der Frauen 1984.

 

Das Turnier lief unter dem Namen European Competition for Women’s Football, wurde durch die UEFA organisiert und war das erste offizielle anerkannte Turnier, nachdem 1969 und 1979 in Italien bereits inoffizielle Europameisterschaften durchgeführt wurden. Das Finalturnier im April 1984 fand mit vier Teams statt, die im K.O.-Modus mit Hin- und Rückspiel gegeneinander antraten. Zu den ersten Europameisterinnen krönten sich die Schwedinnen im Penaltyschiessen gegen die Engländerinnen.

 

Die Schweizerinnen scheiterten bereits in der Qualifikation. Diese wurde in vier Gruppen gespielt, Gegnerinnen der Schweiz waren Italien, Frankreich und Portugal. Im Sport erschien zu diesen Schweizer Qualifikationsspielen jeweils eine Kurzmeldung inklusive des Telegramms, die NZZ widmete sich bloss einem dieser Spiele mit einer Vorschau, die zudem allgemeine Informationen zum Stand der Dinge im Schweizer Frauenfussball enthielt.

 

Am 11. Oktober 1982 erschien im Sport eine Meldung zum ersten Qualifikationsspiel gegen Portugal. Der Journalist lobte nach dem 2:0-Sieg das Spiel als „technisch überdurchschnittlich“ und „phasenweise begeisternd“. Das Beispiel illustriert den langsamen Wandel in der Berichterstattung. Nach dem Aufkommen des Frauenfussballs in der Schweiz in den 1970er-Jahren war der Vergleich mit dem Männerfussball eine tragende Strategie der Journalisten, in den 1980er-Jahren lösten sich diese langsam davon. Dennoch schwangen bei positiven Kernaussagen immer wieder ein kritischer Unterton mit, war doch die Partie gegen Portugal nur „phasenweise begeisternd“.

 

Das siegreiche italienische Team vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Schweiz am 23.5.1983 in Lugano (Keystone)

 

Die NZZ titelte über der Vorschau auf die Partie gegen Italien vom 23. Mai 1983: „Wachsende Popularität des Damen-Fussballs“. Darin kam der damalige Nationaltrainer Bruno Streit zu Wort, der sich ob der steten Vergleiche der Frauen mit den Männern störte, um dann nicht weniger problematisch zu bilanzieren, bei den Frauen stünde nicht der Kampf, sondern die „Freude am Spiel im Vordergrund“ – ebenfalls ein oft reproduziertes Argument in den Diskussionen rund um fussballspielende Frauen, das diesen eine gewisse Seriosität beim Ausüben des Sports absprach.

 

Seit dieser ersten EM-Kampagne in den Jahren 1982–1984 mussten sich die Schweizer Fussballerinnen in doppelter Hinsicht gedulden: sportlich und in Bezug auf positivere mediale Berichterstattung. Erst 2017 qualifizierten sich die Schweizerinnen im zwölften Anlauf erstmals für die EM-Endrunde, scheiterten allerdings in der Gruppenphase. Auch eine erhöhte und positiver konnotierte mediale Repräsentation liess lange auf sich warten. Wie so oft im Sport kam sie parallel mit dem sportlichen Erfolg. Dieser liess in der Schweiz in internationaler Hinsicht lange auf sich warten. Noch zwei Jahre vor der ersten EM-Teilnahme spielten die Schweizerinnen erstmals bei der Weltmeisterschaft in Kanada. Damals titelte die NZZ „Raus aus dem Schatten“ – ein Prozess, der bis heute andauert.



Nils Widmer ist Stipendiat an der Universität Luzern und Projektmitarbeiter bei Swiss Sports History. In seiner Masterarbeit hat er sich mit der medialen Wahrnehmung von Frauen im Schweizer Sport auseinandergesetzt.