Von Farnen, Kanarienvögeln, Roten und Matildas

«La Roja» bodigte die «Lionessess» mit 1:0, stemmt den WM-Pokal in die Höhe und strahlt um die Wette. Zuvor kickten sie Farne, Kupferköniginnen, Stählerne Rosen und Blaugelbe aus dem Turnier.

Ein Gastbeitrag von Simea Rüegg

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Das Nationalteam, die Schweizerinnen, die Equipe von Inka Grings, die Rot-Weissen… oder einfach: Die Nati. Unsere WM-Vertretung am Fussball-Grossevent lässt sich namhaft variabel betiteln, als «Nati» ist sie gar unverkennbar.

 

Was Journalisten etwas Abwechslung in ihr lyrisches Schaffen bringt, ist die Identifikation von 23 Spielerinnen und ihrem Staff – jede der 32 Nationen an der Weltmeisterschaft feiert ihren eigenen Spitznamen. Er ist angelehnt an das jeweilige männliche Pendant, Nationalfarben, Symbole, Tiere oder die Kultur, und mal mit einer oder mehreren Prisen Kreativität versehen:

 

Football Ferns (Neuseeland)

Das Farn in der Natur, auf der Brust und im Namen: Die neuseeländischen Frauennationalteams tragen das Symbol in jeglichen Sportarten stolz mit sich. «Black Ferns» im Rugby, «Silver Ferns» im Netball, «Tall Ferns» im Basketball, «Ice Ferns» im Eishockey und natürlich die «Football Ferns», die sich am heimischen Turnier für ihre Leidenschaft einen gehörigen Popularitätsbonus erspielt haben.

(Bildquellen: stuff.co.nz, skysports.com, apnews.com, gmanetwork.com)

 

Gresshoppene (Norwegen)

Grasshüpfer sind nicht die Blau-Weissen aus Zürich sondern die nordischen Weltmeisterinnen aus dem Jahr 1995, komplett in Rot. Norwegens Frauennati wurde schon lange mit einem Kosenamen versehen. Die Leistungen – WM-, EM- und Olympiasiege vor dem Jahr 2000 – gaben allen Grund dazu.

 

Nati (Schweiz)

Eine Einheit ist die Schweizer Nation, Männer- wie auch Frauenteams sind schlichtweg unsere «Nati». Sprachgrenzen überwindend wird daraus nebst «d Nati» auch «la Nati» oder «Rossocrociati». Der Rufname ist kurz und knackig und feuert alle Athletinnen und Athleten im Schweizer Dress unisono an.

 

Filipinas (Philippinen)

Sofort ist klar, um welche Nation es sich handelt und was der Name heisst, denn die «Filipinas» werden kurzerhand bei ihrer Herkunft genannt. Was dem Namen an Einzigartigkeit fehlt, machen die Supporter des WM-Neulings an Lebhaftigkeit wieder wett. Interessant: Viele der «Filipinas» sind in den USA aufgewachsen und werden zurzeit von einem «Aussie» trainiert.

(Bildquellen: apnews.com, sbs.com.au, ctvnews.ca/jamesworsfold, skysports.com)

 

 

Matildas (Australien)

Aus den «Female Socceroos» – nach den Männern «Socceroos» – machte ein Wettbewerb im Jahr 1995 die «Matildas». Und diese schreiben ordentlich Geschichte. Stark verbunden mit dem oft als Nationalhymne vorgeschlagenen Lied «Waltzing Matilda», wobei «Waltzing» auf das Wort Walz zurück geht und als Matilda der im 19. Jahrhundert übliche Umhängebeutel für Tramps im australischen Outback bezeichnet wird. Die «Tillies» schiessen sich ins Herz eines gesamten Kontinents und ihr einzigartiger Name wurde zum Synonym Australiens.

 

Super Falcons (Nigeria)

Die Männermannschaft heisst «Super Eagles». Falken und Adler, ersterer ist das schnellste Geschöpf Gottes und für Präzision bekannt. Letzterer symbolisiert Mut, Schnelligkeit und gutes Sehvermögen. Beide Tiere sind Raubvögel und können symbolisch ihren Konkurrenten verschlingen, wobei ein roter Adler das nigerianische Wappen ziert und für die Stärke der Nation steht – also hervorragende Voraussetzungen für Fussballer.

 

The Canucks (Kanada)

«Canucks» bedeutet in etwa so viel wie Frankokanadier. Es ist ein Name der weniger einfallsreichen, aber noch jungen Sorte. Bei der WM 2022 in Katar stellte man mit Schrecken den Mangel eines offiziellen Spitznamens für die kanadischen Teams fest. Beim aktuellen Turnier der Frauen setzt sich die Bezeichnung langsam durch. Namensvettern sind übrigens Vancouvers Eishockey Team, ein erfolgreicher Comic-Superheld und die imaginäre Figur eines Kriegshelden.

 

The Girls in Green (Irland)

Ein Kopfnicken in Richtung Irlands berühmter Farbe; vom Kobold über das Kleeblatt bis hin zu den saftigen, weitläufigen Wiesen ist das Land in grün getaucht.

 

(Bildquellen: biensports.com, beinsports.com, apnews.com, concacaf.com

 

Nadeshiko (Japan)

«Nadeshiko» klingt schön und speziell, fällt dem mit Stereotypen kämpfenden Frauenfussball jedoch etwas in den Rücken. Der Name bedeutet «Personifizierung einer idealisierten japanischen Frau» oder «der Inbegriff reiner, weiblicher Schönheit», was traditionell als Mischung aus Hausfrau, Geisha und Samurai verstanden werden kann. 2004 wurde aus über 2’700 Vorschlägen das Nationalteam so getauft und teilt sich den Namen mit der japanischen, semi-professionellen Frauenfussballiga.

 

La Roja (Spanien)

2004 entschied der damalige Trainer der Männernati: «Ich will, dass das Team einen Spitznamen, eine Identität hat.» Gesagt, getan, «die Roten» – wie sich auch die Spanierinnen nennen – waren geboren. Ein simpler, aber effektiver Name, der gerne auch zu «La furia Roja» erweitert wird. Und tatsächlich: Anders als die strahlenden Japanerinnen wirkt der diesjährige WM-Finalteilnehmer wirkliche wie eine rote Furie.

 

Copper Queens (Sambia)

Die WM-Debütantinnen werden auch unter Shepolopolo, einem weniger beliebten Namen aufgeführt. Abgeleitet ist er von Chipolopolo (Gewehrkugeln) und wurde mit einem weiblichen Präfix versehen. Bekannter sind sie als Kupferköniginnen, eine Anspielung auf die reichen Kupfervorkommen Sambias.

 

Las Ticas (Costa Rica)

Ein Unikat ist der Name «Los Ticos», wie sich nicht nur das Männernationaleteam, sondern auch die Einwohner Costa Ricas nennen. Es ist eine liebenswürdige Hommage an eine sprachliche Besonderheit: Anders als in vielen spanischsprachigen Ländern endet der Diminuitiv in Costa Rica auf -ico, statt auf -ito.

(Bildquellen: telegraph.co.uk, skysports.com, cgtn.com, espn.com/fifa)

Lionessess (England)

Auch dieser Name ist noch jung. Die Briten sprachen stets von «ihren» «The Three Lions», dem Kennzeichen der Männer. Als die Männer 2012 an der EM und die Frauen gleichzeitig in der EM-Qualifikation spielten, fing man an zu differenzieren. Der #Lionessess wurde auf Twitter gepostet und mutierte zur englischen Hoffnung, dass der Fussball endlich nach Hause kommt.

 

De Rød-Hvide (Dänemark)

Ein Blick auf die Trikots, etwas Allgemeinwissen oder Sprachkenntnis erklärt: Die Rot-Weissen, Farben des dänischen Emblems und aller zugehörigen Fanartikel.

 

Steel Roses (China)

WM-Final 1999, die Chinesinnen verloren gegen die USA – ihres Zeichens Gastgeberinnen – wegen eines einzigen Penaltys. Aus der bitteren Enttäuschung heraus tauften die Fans ihr Herzensteam «Stählerne Rosen». Dieses Erbe wird seither an alle Generationen weitergegeben. Es ist eine Demonstration des Willens, der Einigkeit und des Kampfgeistes. Auf der anderen Seite heissen die Männer «Dragons» – nicht weniger einschüchternd.

 

Les Grenadières (Haiti)

In der Schweiz sind die Grenadiers und Grenadières in Isone, in Haiti spielen sie Fussball. Aus militärischer Sicht sind es Soldaten, die sich aufs Granatenwerfen spezialisieren. Was das mit Fussball zu tun hat? «Down under» versuchen die WM-Neulinge, einige Treffer zu landen.

(Bildquellen: npr.org/budamendes, euronews.com, goal.com/gettyimages, footyvar.com)

Stars and Stripes (USA)

Als «Stars and Stripes» werden viele amerikanische Nationalteams, eine Zeitung und die Landesflagge selbst bezeichnet. Die mit Abstand erfolgreichste Equipe der Vereinigten Staaten hebt sich als «USWNT» (United States Women’s National Team) davon ab, was man mit je fünf Olympiasiegen und Weltmeistertitel assoziieren kann.

 

Oranje Leeuwinnen (Niederlande)

In knalliger Leuchtstift-Couleur wuseln die Niederländerinnen über den Platz. Die sportliche Nationalfarbe aller Athleten ist definitiv Orange. Die Fussball-Frauennati bekam 2017 ein neues Emblem auf die Brust, das leicht abgeändert von dem der Männer ist. Es ist ein etwas schlankerer und eleganterer Löwe, das Symbol für Stärke, Kraft und Agilität, was die nachfolgenden Generationen inspirieren soll.

 

A Seleção das Quinas (Portugal)

«Quinas» ist eine Gruppe von fünf Ringen, oder auch ein fünfseitiges Polyhedron. Das wird im Spitznamen der Portugiesinnen vielseitig erklärt: Als Hommage an die fünf Würfelpaare auf der Flagge des Landes, als Anspielung auf die fünf weissen Punkte auf dem Wappen, die auf den ersten König hinweisen oder als Repräsentation der Schlösser, die 1143 eine wichtige Rolle bei Portugals Gründung spielten. So oder so: Es steckt viel Historie in der «Seleção».

 

Golden Star Women Warriors (Vietnam)

Frauen Kämpfer, also Kämpferinnen, die stolz den goldenen Stern aus ihrem erwähnten Spitznamen auch auf ihrer Brust im Wappen tragen. Oder umgekehrt.

(Bildquellen: france24.com, cbsnews.com, skysport.com, beinsports.com)

 

 

Les Bleues (Frankreich)

Aus «Les Tricolores» wurden «die Blauen», bei den Männern in der eigenen Landessprache mit einem «e» weniger versehen. Anfangs traten die Franzosen nämlich in all ihren Wappenfarben auf. 1976 fand das erste Spiel in blau statt, seither ist es die traditionelle Uniform und die Equipe folglich danach benannt. Video-Tipp: Ein französischer Deepfake-Werbespot widerlegte jüngst Kontroversen um den Frauenfussball.

 

Reggae Girlz (Jamaika)

Hinter den «Reggae Girlz» selbst steckt kein Geniestreich, ihr männliches Pendant sind nämlich die «Reggae Boyz». Deren Herkunft jedoch ist interessant: Bei ihrer Ankunft in Sambia für zwei Vorbereitungsspiele im Jahr 1997 wurden die Jamaikaner am Flughafen mit «Reggae Boyz, Reggae Boyz»-Rufen empfangen. Kein Wunder, denn in Jamaika gehen Fussball und Musik Hand in Hand. Nicht zuletzt Bob Marley, der eine Leidenschaft für beides hegte, lebte diese Verbindung vor. «Reggae Girlz» fängt die Essenz der coolen, jamaikanischen Kultur ein.

 

As Canarinhas (Brasilien)

Verbreiteter ist Brasilien als «Seleção», «Auswahl», bekannt – seltener sind «Verde-Amarela» (Grün-Gelb) und «Samba Queens» eine Referenz. Aber als «Canarinhas», respektive die männlichen «Canarinhos», sind die Nationalteams ein echter Blickfang. Im vorherrschenden Kanariengelb, wobei «canarinho» auf Spanisch übersetzt «Kanarienvogel» bedeutet, tritt Brasilien seit 1953 auf. Nach der tragischen Niederlage an der Heim-WM 1950 gegen Uruguay sollte ein neues Trikot für einen Umbruch sorgen. Das überwiegend weisse Shirt mit blauen Details war Geschichte und der beste Vorschlag des dazu ausgeschriebenen Wettbewerbs ist seither das Markenzeichen einer stolzen Fussballnation.

 Las Canaleras (Panama)

Die Kanal-Frauen, angelehnt – natürlich – an den Panamakanal. Namensvorreiter ist die männliche Version, also «los Canaleros», bezeichnet nach der schmalsten Stelle des gesamten Kontinents, die internationale Bedeutung erlangte. Ganz anders als das Frauen- wie Männerteam, das am internationalen Turnier der krasse Aussenseiter bleibt.

 

Blågult (Schweden)

«Blågult» heisst Blau-Gelb und ist Schwedens Landesfarben zu verdanken, die Heim- sowie Auswärtstrikots in den verschiedensten Kombinationen gestalten.

 

Banyana Banyana (Südafrika)

Wortwörtlich übersetzt nennt sich die südafrikanische Nati «Mädchen Mädchen» – eine Verdopplung lässt sich in den Nguni-Sprachen aber als «alle Mädchen» interpretieren. Die Männer heissen «Bafana Bafana», aus Zulu übersetzt also «die Jungen» oder «Go Jungs, Go Jungs».

 

Le Azzurre (Italien)

Von den männlichen «Azzurri» übernommen und so die Geschichte geerbt: Azzurro, also blau, wie die Trikots der Italiener. Doch im grün-weiss-rot des Drapeaus ist von Blau nichts zu erkennen. Genauer gesagt von Savoy-Blau. Es ist die Farbe des königlichen Hauses von Savoyen, das über das Königreich Italien regierte. Von 1861 bis 1946 residierte im «Casa Savoia» jeweils ein Monarch.

(Bildquellen: npr.org, 90min.com, total-italianfootball.com, edgeofthecrowd.com)

 

La Albiceleste (Argentinien)

«La Albiceleste» ist «die Nati» von Argentinien. Das Weiss («albi» von «Albino») und das Himmelblau («celeste» wie «himmlisch» oder «blau») sind die Farben der Landesflagge, aufgeteilt in drei horizontale Streifen mit einer Sonne in der Mitte. Wenig innovativ, aber der Name kaschiert mit seinem einzigartigen Klang die offensichtliche Bedeutung.

 

Las Cafeteras (Kolumbien)

Der Spitzname der Cafeteros, Kaffeeanpflanzer, wie sie liebevoll genannt werden, ist auf den Reichtum des kolumbianischen Bodens zurückzuführen. Der kolumbianische Kaffee ist ein Markenzeichen, und das Land ist seit den 1920er-Jahren weltweit führend im Kaffeeexport – auch die Fussballwelt ist davon geprägt.

 

Atlas Lionesses (Marokko)

Frauen- wie Männernationalteam tragen dem Atlaslöwen Rechnung, dem einheimischen König der Tiere, der das Atlasgebirge in Marokko durchstreifte. Der Atlaslöwe gilt heute als ausgestorben, aber der fussballerische Spitzname bleib bestehen.

 

Die Nationalelf (Deutschland)

Sie ernten Spott im Netz, trotz mehrfachen Turniersiegen: «Die Nationalelf» wird virtuell als langweiligster Name prämiert. Tatsächlich strotzt der Deutsche Fussballbund nicht mit Kreativität. Frühere Versuche lauteten «DFB-Frauenteam», die Männer heissen «Die Mannschaft».

 

The Taegeuk Girls (Südkorea)

Auch als «Taegeuk Nangja» geläufig, wird auf die südkoreanische Flagge verwiesen. Aber mit Symbolik: Taegeuk steht für den Ursprung von allem im Universum und beinhaltet die beiden Prinzipien von Yin und Yang.

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