ERINNERUNGEN VON HELMAR BAUER

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Ich bin Helmar Bauer, Präsident vom FC Blue Stars Frauen. Ich bin 78 und eigentlich dabei, seit es Frauenfussball gibt. Ich bin quasi einer der Mitgründer des Frauenfussballs oder, anders gesagt, der erste Förderer des Frauenfussballs in Zürich in den Jahren 1966–1968. Das war die eigentliche Pionierzeit des Frauenfussballs.

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1966/67 war es so, dass es in der Stadt Zürich viele Grümpelturniere gab. Da konnte man Flugreisen gewinnen, wenn man so ein Turnier gewann. Vor allem auf der Allmend Brunau war so ein verrücktes Turnier, da ging es fast um Mord und Totschlag im Final der Fussballer. Kein Wunder, bei solchen Preisen! Damals fing man teilweise auch an, Frauenturniere zu machen, oder man begann an Grümpelturnieren mit Mixed-Mannschaften zu spielen: 3 Männer, 3 Frauen – oder mindestens 2 Frauen mussten auf dem Spielfeld stehen. So fing das an.

Ich war zu dieser Zeit Juniorenobmann und Trainer beim FC Industrie. Meine damalige Freundin wollte tschutten und hat bei Industrie bei einem Grümpelturnier auf der Josefswiese mit einer Mannschaft mitgespielt. Nach etwa zwei Turnieren kam das Team zu mir und meinte, sie möchten auch mal so ein Grümpelturnier gewinnen, ob ich sie nicht trainieren könne. Das war der Start. Die Trainings waren, wenn ich mich richtig erinnere, im alten Förrlibuck und nachher im Hardhof oder im unteren Teil, den es nicht mehr gibt. Das war 1967. Dann habe ich mit ihnen ein paar Wochen trainiert und sie gewannen ein Grümpelturnier! Mit nur ein bisschen Fussballtraining hob man sich bereits ab von den anderen, die eben nichts machten. Ich kann mich erinnern, nach einem Sieg waren wir in einer Beiz an der Bahnhofstrasse und dort gönnten wir uns zum Sieg ein Champagnerfrühstück. Ich weiss nicht mehr, was das für ein Turnier war, aber es war nur für Frauen. Das waren so sechs, sieben Frauen die dort mitgemacht haben, meine Frau war damals sicher schon über 25.

Dann war die Grümpelturniersaison 1967 vorbei. Ein paar Frauen wollten gerne weiter Fussball spielen, sie wollten gerne in einem Verein mitmachen. Nur war das damals gar nicht so einfach, weil die Männerfussballer eigentlich absolut immer dagegen waren. Am Anfang haben wir dann als Mannschaft im Juchhof 3 trainiert. Dort bekamen wir einen Platz zugewiesen. Das war das Riesenproblem für den Frauenfussball in Zürich. Die Politik akzeptierte uns und wollte uns die Gelegenheit geben zu trainieren, aber wo? «Wir haben keine Sportanlage in Zürich, bei der man nicht von irgendeiner Garderobe in die Dusche laufen kann oder wo es abschliessbare Garderoben oder Duschen gibt», sagten sie. Meistens kam man von mehreren Garderoben direkt in die Dusche. Das war ein sehr praktisches Problem. Schliesslich hat man die ganze Stadt durchgeröntgt, um zu schauen, wo Frauenfussball überhaupt möglich wäre. Im Juchhof 3 gab es so Container-Baracken die irgendwie abschliessbar waren. Der Abwart musste dort jeweils auf einer Seite die Tür schliessen und so hatten wir Garderobe und Dusche.

Also trainierten wir fortan da und versuchten, das Ganze in Schwung zu bringen. Mich interessierte die Sache eigentlich nur, weil ich vehement dafür war, dass Frauen Fussball spielen können. Bei der Vereinsgründung selber im Februar 1968 war ich nicht dabei, weil ich mich immer wieder zurückgezogen habe. Das waren aber die Frauen aus unserem Team und ein paar andere. Die Geschwister Moser waren dabei. Man fing also an, Vereine zu gründen – das geschah an vielen Orten fast gleichzeitig. So weit ich weiss, gab es Anfang der 1970er-Jahre in Zürich uns (DFC Zürich), Young Fellows und Seebach. Gesamtschweizerisch am professionellsten war damals der FC Sion. Unter den Fussballerinnen gab es Frauenrechtlerinnen oder Feministinnen, die sagten: «Ich spiele Fussball, weil wir es diesen Männern zeigen wollen.» Dann gab es jene, die wollten nur Fussball spielen.

Ich selber übernahm im Frühling 1968 das Training. Ich wollte das nur provisorisch übernehmen, bis man jemand neuen fand, machte es dann aber eine ganze Weile lang. Hans Kretz amtete derweil als Präsident. 1971 beschloss der Verband, dass sich jeder Frauenfussballverein einem Herrenfussballverein anschliessen muss. Bei uns im Vorstand waren sich Franz Moser und Hans Kretz nicht einig. Moser war dafür, sich dem FC Zürich anzuschliessen, Kretz fand GC einen Superklub. Ich hingegen sagte, die grossen Klubs haben sicher kein Interesse, ich sei für den Verein, der am meisten für die Jungen macht – und das war zu dieser Zeit der FC Blue Stars. Vom FC Zürich gabs zuerst ein Nein, GC sagte ja, aber sie müssten eine Garantie haben, dass wir Meister würden, sonst hätten sie kein Interesse. Also sind wir doch bei den Blue Stars gelandet.

Als wir aber die ersten Verhandlungen mit Blue Stars hatten, hat Herr Moser mit seinen Töchtern und ihrem Anhang gesagt, sie gehen doch zum FC Zürich. So wurden 1971 die FC Zürich Damen gegründet. Der DFC Zürich ist aber zu Blue Stars geworden, ausser der Teil um Herr Moser. Wir waren ja insgesamt nur etwa 20 oder 25 Leute und etwa 5 oder 6 sind zum FC Zürich. Dann gab es Zeitungsinserate und Mund-zu-Mund Propaganda der Frauen, um mehr Spielerinnen zu finden. Ich weiss auch nicht, mit wem Herr Moser geredet hat beim FC Zürich. Man baute dort aber rasch etwas auf. Ich kann mich nur erinnern, dass kurz nach der Gründung Marie-Therese Nadig geholt wurde, um das Ganze zu promoten.

Der FC Sion – mit Madeleine Boll – war eigentlich die erste Schweizer Mannschaft. Aber sie hatten damals den Grössenwahn, sie gaben sich schon als Schweizer Nationalmannschaft aus, weil sie die Besten wären. Dann haben sie mich mal eingeladen und wir sind nach Italien nach Mailand, wo wir gegen Gommagomma gespielt haben, eine Firmenmannschaft, aber es wurde aufgezogen wie ein Länderspiel Schweiz-Italien. Ich war dann der, der in Zürich geschaut hat, dass in die «Nationalmannschaft» des FC Sion auch Zürcherinnen reinkommen. Dazu habe ich aus Zürich und Aarau ein paar Spielerinnen aufgeboten und ein Selektionstraining gemacht und dem Herren Gaillard, der damals Trainer bei Sion war, vier Spielerinnen vorgeschlagen. Ich sagte, wenn du etwas von Auswahl und Nati sagst, dann müssen diese vier mindestens rein.

[Aufgezeichnet am 17.1.2018 in Zürich]

Sion/Zürich 1970 auf dem Weg nach Mailand.

Sion/Zürich 1970 auf dem Weg nach Mailand.